Voreingenommenheit gibt es nicht nur im Vorstellungsgespräch: 6 Fallstricke und wie man sie vermeidet

Es gibt zwei Dinge, die Sie und ich gemeinsam haben: Wir sind Menschen und wir haben Vorurteile. Die Bildung von Vorurteilen ist ein unbestreitbarer Teil des Menschseins. Wenn es jedoch um den entscheidenden Prozess der Auswahl der richtigen Person für die Stelle geht, können diese Vorurteile zu einem echten Hindernis werden, wie diese Untersuchung von Harvard zeigt (Are Firms That Discriminate More Likely to Go Out of Business). Sie fragen sich vielleicht, wie wir sicherstellen können, dass wir während des gesamten Einstellungsprozesses faire und objektive Entscheidungen treffen. Lesen Sie weiter und wir geben Ihnen die Antwort.

Joseph Lefebvre am 06. März 2024 Durchschnittliche Lesedauer: 5 min
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Voreingenommenheit gibt es nicht nur im Vorstellungsgespräch: 6 Fallstricke und wie man sie vermeidet

Ein kürzlich erschienenes Whitepaper des Rekrutierungsexperten Bas van de Haterd, in Zusammenarbeit mit Recrout und In2Dialog, beleuchtet dieses kritische Thema. Das Whitepaper untersucht sechs Schlüsselphasen in der Personalbeschaffung, in denen sich Vorurteile einschleichen können. Darüber hinaus bietet es praktische Lösungen, die Unternehmen dabei helfen, die Auswirkungen von Voreingenommenheit zu verringern. Lassen Sie uns die einzelnen Phasen durchgehen und darüber diskutieren, wie wir gleiche Bedingungen für alle Bewerber schaffen können.

  1. Die Stellenausschreibung

Wussten Sie, dass sich Vorurteile in Ihrer Stellenanzeige verstecken können? Ein Beispiel dafür ist die Angabe einer Höchstzahl von Jahren an Berufserfahrung, wodurch jüngere Bewerber in unfairer Weise ausgeschlossen werden können. Aber Voreingenommenheit kann auch subtiler sein.

Denken Sie an Begriffe wie "exzellent", "hervorragend" oder "Spitzenleistung". Andere Begriffe wie "frischgebackener Hochschulabsolvent" führen ebenfalls zu einer Voreingenommenheit, da sie der Stellenanzeige einen Zeitstempel aufdrücken und ältere Bewerber ausschließen. Untersuchungen haben ergeben, dass Männer dazu neigen, die Messlatte für sich selbst niedriger zu legen, wenn sie auf diese Begriffe stoßen, als Frauen. Dies führt zu einer unbeabsichtigten geschlechtsspezifischen Voreingenommenheit. Selbst scheinbar harmlose Details wie die Erwähnung von "Freitagnachmittagsdrinks" können unbewusst beeinflussen, wer sich für die Stelle geeignet fühlt.

Lösung: Achten Sie auf die Sprache, die Sie in Ihren Stellenausschreibungen verwenden. Lassen Sie sie von einer Gruppe verschiedener Personen überprüfen, um mögliche Vorurteile zu erkennen.

  1. Werbung, um die richtige Zielgruppe zu erreichen

Denken Sie daran, dass Voreingenommenheit nicht nur auf Ihre Stellenausschreibungen beschränkt ist. Sie können auch über Ihre Anzeigen eindringen. Dies gilt insbesondere für Anzeigen in sozialen Medien oder auf Plattformen wie Google Ads, mit denen Sie potenzielle Bewerber ansprechen. Die Art und Weise, wie Sie Ihre Anzeigen gestalten, hat einen erheblichen Einfluss darauf, wen Sie ansprechen.

Die Hervorhebung flexibler Arbeitszeiten könnte einen anderen Bewerberkreis anziehen als die Hervorhebung eines hohen Gehalts, auch wenn beide Aspekte auf die Stelle zutreffen könnten. Auch das von Ihnen gewählte Bildmaterial spielt eine Rolle. Unbewusst könnten Sie eine Botschaft über den "idealen" Kandidaten in Bezug auf Alter, ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht oder körperliche Erscheinung aussenden.

Lösung: Entwickeln Sie eine Persona und detaillierte Profile, die Ihre idealen Kandidaten darstellen. So können Sie Ihre Anzeigen so anpassen, dass sie die richtigen Personen auf den verschiedenen Plattformen ansprechen. Ziehen Sie A/B-Tests verschiedener Versionen Ihrer Anzeigen in Betracht, um herauszufinden, welche die beste Resonanz erzeugen.

  1. Das zweischneidige Schwert des Algorithmus

In der Vergangenheit konnte die Wahl des Mediums, in dem Sie Ihre Stellenanzeige schalten wollten, z. B. eine bestimmte Zeitung, zu einer leichten Verzerrung führen. Mit dem Aufkommen von Algorithmen hat sich dieses Problem jedoch erheblich verschärft. Obwohl diese Algorithmen darauf ausgelegt sind, Klicks und Reichweite zu optimieren, können sie ungewollt bestimmte Gruppen ausschließen oder andere unverhältnismäßig stark ansprechen. So könnte beispielsweise eine Anzeige für eine MINT-Stelle oder einen Programmierer vor allem Männern angezeigt werden, da es online mehr männliche IT-Fachleute gibt.

Lösung: Um algorithmischen Verzerrungen entgegenzuwirken, sollten Sie separate Anzeigenkampagnen für verschiedene Zielgruppen durchführen. Stellen Sie für jede ein eigenes Budget bereit. Auf diese Weise können Sie Ihre Botschaft und Ihr Bildmaterial so anpassen, dass sie bei bestimmten demografischen Gruppen Anklang finden.

  1. Ihre "Working At"-Seite - ein Fenster in Ihre Unternehmenskultur

Eine weitere potenzielle Quelle für Voreingenommenheit liegt in der Website Ihres Unternehmens, die oft die zentrale Anlaufstelle für die Gewinnung von Talenten ist. Untersuchungen haben ergeben, dass ein erheblicher Teil der Bewerber, insbesondere für Stellen mit geringem Umfang, während ihrer Stellensuche die Website des Unternehmens besucht. Genau diese Website könnte jedoch versteckte Voreingenommenheit beherbergen.

Dies kann durch die Verwendung spezieller Schriftarten geschehen, die für manche Menschen schwer zu lesen sind, durch fehlende Zugänglichkeitsfunktionen für sehbehinderte Nutzer oder durch Probleme mit der Benutzerfreundlichkeit von Mobiltelefonen, die diejenigen ausschließen, die mit ihrem Handy surfen.

Lösung: Stellen Sie sicher, dass Ihre "working at"-Seite ein faires und integratives Bild Ihrer Organisation vermittelt. Verwenden Sie vielfältige Bilder auf der gesamten Website, insbesondere auf Seiten, die offene Stellen vorstellen. Erwägen Sie die Erstellung von Landing Pages, die auf bestimmte Bewerberpersönlichkeiten zugeschnitten sind. Legen Sie außerdem Wert auf barrierefreie Funktionen, damit Ihre Website für alle Menschen benutzerfreundlich ist, unabhängig von ihrem Gerät oder ihren Fähigkeiten.

  1. Der Auswahlprozess - Jenseits des Lebenslaufs

Eines der häufigsten Schlachtfelder für Voreingenommenheit ist die Phase der Vorauswahl, in der die Bewerber für Vorstellungsgespräche ausgewählt werden. Traditionell stützt sich diese Entscheidung stark auf die Auswahl des Lebenslaufs, obwohl es keine wissenschaftlichen Beweise für einen Zusammenhang zwischen dem Inhalt des Lebenslaufs und der späteren Arbeitsleistung gibt. Dieser Prozess öffnet Tür und Tor für verschiedene Formen der Voreingenommenheit, wie z. B.:

  • Voreingenommenheit bei Namen: Studien zeigen, dass Bewerber mit Namen, die als typisch für Minderheitengruppen wahrgenommen werden, seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden als Bewerber mit Namen, die als zur Mehrheitsgruppe gehörend wahrgenommen werden.
  • Voreingenommenheit durch Fotos: Auch wenn es in einigen Regionen, z. B. in den USA, verboten ist, kann die Aufnahme eines Fotos in Ihren Lebenslauf zu Vorurteilen aufgrund des Aussehens führen.
  • Voreingenommenheit aufgrund des Alters: Sowohl bewusste als auch unbewusste Voreingenommenheit aufgrund des Alters kann dazu führen, dass ältere Bewerber übersehen werden.
  • Voreingenommenheit bei der Ausbildung: Es könnte eine Tendenz bestehen, Kandidaten von bestimmten Universitäten oder Institutionen zu bevorzugen.
  • Voreingenommenheit durch Erfahrung: Der Irrglaube, dass bekannte Arbeitgeber niemals Personen mit schlechten Leistungen einstellen, kann zu einer Voreingenommenheit gegenüber Bewerbern für andere Unternehmen führen.
  • Hobby-Voreingenommenheit: Stereotype über bestimmte Hobbys wie "Tennisspieler sind individualistisch" oder "Fußballer sind Teamplayer" können Auswahlentscheidungen beeinflussen.
  • Standortvorurteile: Unbegründete Annahmen über Personen aufgrund ihrer Wohngegend können zu einer ungerechten Behandlung führen.

Lösung: Erwägen Sie die Einführung von "Open Hiring"-Praktiken, bei denen identifizierende Informationen wie Namen, Geburtsdaten und Fotos während des ersten Screening-Prozesses aus den Lebensläufen entfernt werden. Dies hilft, sich auf die Fähigkeiten und Qualifikationen zu konzentrieren, anstatt auf irrelevante persönliche Details. Darüber hinaus sollten Sie sich mit der kompetenzbasierten Einstellung befassen, indem Sie die für die Stelle erforderlichen wesentlichen Fähigkeiten definieren und objektive Methoden zu deren Bewertung festlegen. Strukturierte Telefoninterviews, die möglicherweise durch Chatbots durchgeführt werden, können ebenfalls dazu beitragen, Voreingenommenheit in dieser Phase zu minimieren.

  1. Großes Finale - Die eigentliche Auswahlphase

Schließlich kommen wir zu der Phase, die am ehesten mit Voreingenommenheit assoziiert wird: das eigentliche Auswahlverfahren. Dazu gehört alles vom ersten Vorstellungsgespräch bis zur Vertragsunterzeichnung. Obwohl es schwierig ist, das Ausmaß der Voreingenommenheit in dieser Phase zu quantifizieren, haben Studien besorgniserregende Tendenzen aufgezeigt. Die Forschung zeigt zum Beispiel, dass:

  • Männer neigen dazu, Frauen während des Vorstellungsgesprächs häufiger zu unterbrechen, und der Beginn des Gesprächs kann sich bei Frauen im Vergleich zu Männern verzögern.
  • Männer, die Frauen interviewen, sprechen möglicherweise deutlich mehr als Männer.
  • Vorstellungsgespräche können zu "Affinitätsvoreingenommenheit" führen, d. h. sie bevorzugen unbewusst Bewerber, mit denen sie gemeinsame Interessen teilen, wie z. B. Diskussionen über Sport.

Lösung: Auch wenn es eine komplexe Herausforderung ist, eine völlig unvoreingenommene Auswahl zu treffen, können Sie einige Schritte unternehmen, um die Auswirkungen zu mildern. Die Strukturierung des Interviewprozesses ist entscheidend. Das bedeutet, dass alle Bewerber auf die gleiche Art und Weise befragt werden, mit den gleichen Fragen in der gleichen Reihenfolge durch den/die gleichen Interviewer.

Darüber hinaus ist es wichtig, einen einheitlichen Bewertungsrahmen zu verwenden, um die Antworten der einzelnen Bewerber anhand der vordefinierten Kriterien zu beurteilen. In einigen Fällen kann die Rekrutierungstechnologie, einschließlich Interview-Bots, eine Rolle bei der Analyse von Gesprächen und der Identifizierung potenzieller Voreingenommenheit von Interviewern spielen.

Unterm Strich

Indem sie das Potenzial für Voreingenommenheit während des gesamten Einstellungsverfahrens erkennen und diese praktischen Lösungen umsetzen, können Unternehmen eine fairere und gerechtere Erfahrung für alle Bewerber schaffen, was letztendlich zu einer vielfältigeren und talentierteren Belegschaft führt.

 

 

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